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Vollständige Version anzeigen : Schweiz - Altnau - Urs Wilhelm' Restaurant


Taillevent
24.11.2009, 05:08
Altnau ist eine Thurgauer Gemeinde am Bodensee. Hier befindet sich das Schäfli, ein 1912 erbautes Jugendstilhaus.
Schon beim Betreten der Gaststube wird klar, dass hier der Vergangenheit gehuldigt wird. Die Zeit ist nicht nur stehen geblieben, das ist bereits museal. Nur die abstrakten Bilder an den Wänden erinnern an die Gegenwart.

http://img21.imageshack.us/img21/7843/pb202639.jpg

Herr Wilhelm pflegt hier, wie er selbst sagt, eine Küche der 60er-Jahre. Dabei legt er Wert darauf, dass alles frisch gemacht wird und erstklassige Zutaten verwendet werden.
Zuerst gibt es ein paar selbst gebackene Brötchen, Schnick-Schnack wie Amuse-Gueule gab es in den 60ern noch nicht.
Der "besondere Salat mit vielen Gartenkräutern", der Stolz der Küche, gibt es derzeit nicht in zufriedenstellender Qualität, als Ersatz gab es Nüsslisalat. Der Feldsalat stammt von einem Bauern in der Nähe und war von beeindruckender Qualitat, dazu die "süchtig machende Salatsauce", eine ausgezeichnet abgestimmte gebundene Dressing. Dazu gab es Kalbsmilken, die waren einfach perfekt.
Jetzt hatten wir die Brötchen und die Vorspeise vertilgt und waren richtig satt. Aber es gab noch ein Ochsenschwanzragout mit Nudeln, dazu ganz im 60er-Stil ein Kännchen Zusatz-Sauce. Ich bin ein Fan solcher Schmorgerichte, die kräftige Sauce passte sehr gut dazu, die Bandnudeln konnte ich kaum mehr probieren, sind aber eher nicht hausgemacht.
Jetzt wussten wir, wieso an den anderen Tischen kein Dessert bestellt wurde. Wir sind natürlich unverbesserlich. Unumwunden gibt Frau Wilhelm zu, dass ihr Gatte kein begnadeter Patissier sei, es gäbe frisch gefrorenes Mangoeis. Naja, das Eis war vorzüglich und mehr hätten wir ohnehin nicht essen können.
Erwähnt werden muss noch der liebenswerte Service, das Ehepaar Wilhelm achtet darauf, dass sie genügend Zeit für ihre Gäste haben. Eine Weinkarte gibt es nicht, man sucht sich den Wein im Nebenzimmer aus, beschränkte Auswahl, aber man findet schon etwas.
Urs Wilhelm nähert sich nach eigenen Angaben dem 70er, wir hoffen, dass er noch lange solche Ausflüge in die Vergangenheit auf ausgezeichnetem Niveau ermöglicht. Für mich 16 Punkte.
Kulinarische Grüße
Taillevent

black-brown-white
25.11.2009, 07:17
lieber taillevent, es ist doch wohl kein zufall, dass du in letzter zeit hauptsächlich von etwas rückwärts gerichteten küchen berichtest?
der aktuelle trend wird wohl teilweise auf die traditionellere küche rücksicht nehmen, aber ich hoffe, dass die küche der nächsten zukunft ein wenig leichter als jene der so weit zurück liegenden vergangenheit sein wird.
allerdings ein gutes ochsenschwanzragout gehört wohl zu meinen lieblingsessen. wurde dieses auf rotweinbasis, oder suppe geschmort?
bei den nudeln muss ich nicht immer selbst gemacht essen, gute de cecco, oder sowas reichen mir da durchaus. oft sind mir die selbstgemachten nudeln zu behäbig, vorallem wenn sie mit vielen eiern gemacht wurden. ohne ei ist mir fast lieber.
dass der feldsalat so gut war freut mich besonders, diesen zu erwähnen, grade jetzt, erscheint mir überaus wichtig. die industrieware die wir alle oft vorgesetzt bekommen, weil wir dann eben nicht x mal wässern müssen und nicht dann noch immer sandkörner im salat beissen müssen,... ist leider ein zu sehr sitte geworden. richtig guter feldsalat ist eben doch weitaus intensiver als das conv. produkt aus der tasse.
danke und liebe gruesse:

bbw

Taillevent
25.11.2009, 09:13
Es ist eher Zufall, dass ich die letzter Zeit in eher konservativen Küchen gelandet bin. Aber der Kreationswut vieler Köche stehe ich schon etwas skeptisch gegenüber. Man kann das Rad nicht immer neu erfinden. Neues ist meistens nur bei Köchen interessant, deren Handwerk über jeden Zweifel erhaben ist.
Einerseits tendiere ich auch zu leichterer Küche, andererseits begeistern mich dann immer wieder Schmorgerichte. Insgesamt bin ich einfach froh, dass es ein vielfältiges Angebot gibt, wäre furchtbar langweilig, wenn es überall gleich wäre. Mein Respekt gilt allen Köchen, die abseits des Mainstreams ihr Ding durchziehen, da gehört Herr Wilhelm sicher dazu.
Das Ochsenschwanzragout war, da bin ich mir ziemlich sicher, auf Rotweinbasis. Erstaunlich wieviel zusätzliche Sauce dazu serviert wird, aber da schmeckt nichts nach Fertigprodukt oder Aromat.
Der Feldsalat hat mich wirklich positiv überrascht, diese Qualität bekomme ich auch nicht bei meinem sauteuren Gemüsehändler.
Kulinarische Grüße
Taillevent

knorhan
25.11.2009, 17:27
Sehr Sympatisch was Du da über die Leute schreibst. Hier habe ich schon lange auf Feldsalat und Ruccola verzichtet. Nur wenn ich sowieso bei Rungis bestelle, lass ich mir mal etwas mitkommen. Das schlimmste war Ruccola der total Bitter schmeckte. Damit meine ich nicht die angenehme bittere Note die Ruccola haben sollte. Habe neulich Baby-Blattspinat bekommen und als Salat verarbeitet, war sehr schön.
Gruß knorhan