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Vollständige Version anzeigen : Schweiz - Gonten - Bären


Taillevent
05.04.2010, 10:01
Hier noch ein Bericht von einer vorösterlichen Wanderung durch das Appenzell. Ausgangspunkt war der Sammelplatz, das war 1405 der militärische Besammlungspunkt der Appenzeller. Anschließend haben sie in der Schlacht am Stoss die Habsburger Übermacht dank hinterlistiger Kriegsführung übel verdroschen, was auch 60 Männern meiner Heimatstadt das Leben kostete. Darauf sind die Appenzeller auch heute noch stolz.
Rasch verließen wir diesen unfreundlichen Ort und gelangten nach Appenzell. Für das Hotel Säntis (fantastische Weinkarte, mäßiges Essen) war es diesmal zu früh, daher zogen wir weiter nach Gonten. Hier gibt es mitten im Ort den Bären, ein stattliches Haus, der Hotelanbau ist leider optisch weniger geglückt. Man hat sich hier auf Appenzeller Kost spezalisiert, das ist Gault-Millau immerhin 15 Punkte wert.
Als Vorspeise wählten wir Fenz, ein traditionelles Sennengericht aus Mehl, Butter, Milch und Salz. Sehr deftig, glücklicherweise hat uns die Chefin geraten, die Portion zu teilen. Die Speise diente ursprünglich natürlich dazu, arme Leute auf den Alpen mit den wenigen vorhandenen Lebensmitteln möglichst satt (und arbeitsfähig) zu machen, insoweit entzieht sich sowas der Beurteilung aus unserer verwöhnten Gourmet-Sicht. Den deutlichen Mehlgeschmack hätte man vielleicht durch eine längere Kochzeit beseitigen können. Insgesamt war es sehr interessant, für eine Wiederholung gibt es aber wenig Gründe.
Dann Gitzileberli mit Bölla und Chrüüter, dazu Rösti und Gemüse, gute erstaunlich helle Leber, auf den Kefen leider zuviel Knoblauch, Riesenportion.
Zum Abschluss noch eine Waami Häselbei-Zonne mit Chriesiwasser ond Vanillglass. So oder so ähnlich steht es auf der Speisekarte, ich hoffe, Ihr versteht es.
Nicht nur der Fenz sondern auch das Preisniveau ist deftig, man kann zB im Pelagius (habe ich vor ein paar Tagen beschrieben) um gleichviel Geld essen, obwohl der Küchenstandard auf dem St. Pelagiberg um Klassen höher ist, dort bekommt man auch noch ein aufwändiges Amuse und Petit Fours.
Die Weinkarte schließt sich nahtlos an, vielfach mäßige Jahrgänge um zu viel Geld. Wir hatten keine Lust, daher bestellten wir einen Pinot vom Appenzeller Weingut Lutz. Die Bedienung erklärte, der Wein schmecke nur kalt, so war es dann auch, über die Qualität könnt Ihr Euch selbst einen Reim machen.
Diese Mängel kann der nette Service nur zum Teil kompensieren.
Insgesamt eine ordentliche Küche, ich würde Leute hinschicken, die sich speziell für Appenzeller Küche interessieren und das Fränkli nicht zweimal umdrehen. 13 Punkte.

Kulinarische Grüße
Taillevent

black-brown-white
06.04.2010, 13:47
lieber taillevent, wir wohnen nicht ganz so knapp der grenze und ich muss gestehen alles hab ich nicht verstanden, würdest du bitte so nett sein und mir dabei helfen?! was ist ein bölla?und was sind: Häselbei-Zonne mit Chriesiwasser?
appenzell ist sehr schön und dass sie uns österreicher als besatzungsmacht eins drüber zogen eh klar, dass sie das freut. welch gesegnetes land, dass seither nie in kriegerische händel verwickelt war!
danke und danke im voraus:

bbw

Taillevent
06.04.2010, 15:12
Hallo bbw,

vielen Dank für dein Interesse, gestatte mir zuerst einen geschichtlichen und laienhaften Ausflug in die Appenzeller Geschichte.
Appenzell stand damals unter der Fuchtel der Fürstabtei St. Gallen, die Appenzeller Bauern waren offenbar bereits damals recht widerspenstig, neue Steuern brachten das Fass zum Überlaufen. Am Vögelinsegg wurde das Heer des Abtes vernichtet, der suchte einen neuen Verbündeten und fand ihn mit den Habsburgern. Die hatten natürlich auch machtpolitische Interessen, SG und Appenzell befanden sich zwischen ihren Ländern in Vorarlberg/Tirol und dem Thurgau.
Die Habsburger waren übrigens ursprünglich Schweizer und keine Besatzungsmacht. Man hat sie rausgeworfen und sie haben sich in Österreich breitgemacht.
Die Bürger aus Feldkirch haben dann schnell dazugelernt und sich bald nach der Schlacht am Stoss mit den Appenzeller im Bund ob dem See verbündet. Das Endergebnis dieser Kriege war letztendlich die Aufnahme der Appenzeller in die Schweizer Eidgenossenschaft.
Appenzell ist tatsächlich landschaftlich sehr reizvoll, die grünen Hügel bis zum felsigen Säntis haben schon ihren Reiz. Im Frühjahr wird allerdings die Bschütte (Jauche) auf den Wiesen verteilt, das ist dann schon ein bißchen rustikal, aber noch ist es nicht soweit.
Hoppla, jetzt habe ich mich verschrieben, ist doch ein Feinschmeckerforum, vielleicht interessiert es trotzdem.
Zu den Übersetzungen:
Bölla sind Zwiebeln
Häselbei sind Heidelbeeren
Zonne würde ich mit Kompott übersetzen, Eingekochtes mit etwas Maismehl gebunden
Chriesiwasser ist Kirschschnaps
Mit kulinarischen Grüßen
taillevent

black-brown-white
06.04.2010, 17:42
hallo taillevent, danke für den exkurs, ich war mal mit einer appenzellerin liiert, aber davon hat sie tunlichst nichts erzählt!
danke auch für die übersetzung, ich glaub die hilft nicht nur mir weiter.
schöne gruesse:
bbw

Taillevent
11.04.2010, 13:04
Hallo bbw,
eine Appenzellerin mit einem Kosmopoliten liiert? Das passt überhaupt nicht in mein Weltbild, ich dachte, es gibt dort immer noch eine Schlägerei, wenn ein Mädchen ins Nachbardorf heiratet.

black-brown-white
12.04.2010, 09:00
hallo taillevent, dass du mich als cosmopoliten siehst ist ein wenig übertrieben, aber auch die appenzellerin hab ich nicht im appenzell kennen gelernt!
wahrscheinlich deshalb, weil sie sonst den aus dem gleichen dorf heiraten hätte müssen...!
ganz so arg wars dann aber doch nicht.
schöne gruesse:

bbw