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Alt 15.12.2010, 17:57   #1
black-brown-white
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palmölschokolade wirklich gefällig?

hallo zusammen, zwar hab ich auf das Problem der Fremdfette innerhalb der Normalschokoladenwelt schon oft hingewiesen, aber den Zusammenhang den nachgereihter Artikel erzeugt, wollte ich doch noch einmal darstellen lassen.
der standard vom 9.12.10:

Greenpece warnt
Schokolade mit bitterem Nachgeschmack
09. Dezember 2010, 17:09


Für die Produktion des Schoko-Inhaltstoffes Palmöl wird der Lebensraum von Orang-Utans zerstört

Irgendwie hat man sich natürlich längst an die Heuchelei gewöhnt, die alljährlich einhergeht mit dem Fest der Liebe, der Besinnung und des Friedens - und die Weihnachten gleichzeitig zum Sinnbild einer Gesellschaft macht, die sich aggressivem Konsum, unmenschlicher Geschwindigkeit und rücksichtsloser Profitgier verschrieben hat. Und doch ist es immer wieder erstaunlich, welche Blüten dieser Widerspruch treiben kann.

So spricht sich zwar langsam herum, dass klassische Festtagsspeisen wie Lachs oder Riesengarnelen inzwischen fast ausschließlich aus Aquakultur stammen, mit Antibiotika vollgepumpt werden und für die biologische Zerstörung ganzer Fjorde und Mangrovenwälder verantwortlich sind. Auch, dass der Truthahnbraten so gut wie immer von überzüchteten und misshandelten Tieren aus absurd engen Käfigen stammt, ist vermutlich kein Geheimnis mehr. Aber dass sogar der Genuss von weihnachtlichen Schokoladeleckerbissen wie Nikoläusen, Weihnachtsmännern, Adventkalendern und Christbaumbehang seine Unschuld verloren haben soll - das ist dann doch ein starkes Stück.

Doch genau das soll aus einem Test hervorgehen, den Greenpeace kürzlich veröffentlicht hat, und der den meisten Schokoweihnachtsmännern alles andere denn ein gutes Zeugnis ausstellt. Die Tester der Umweltschutzorganisation haben herausgefunden, dass viele der weihnachtlichen Schokoladeprodukte unter Verwendung von umwelt- und/oder potenziell gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffen erzeugt werden.

Bedenkliche Inhaltstoffe

Unter den Ingredienzien findet man zum einen den problematischen Zusatzstoff E 476 (Polyglycerin-Polyricinoleat), einen Emulgator, der laut Greenpeace bei Tierversuchen in höheren Dosen zu Nieren- und Lebervergrößerungen geführt hat. Außerdem enthielten manche Schoko-Nikoläuse Trockenmilch von Kühen, denen genmanipuliertes Futter verabreicht wurde. Und zu allem Überfluss konnte in einigen Produkten die Verwendung von Palmöl festgestellt werden.

Dieses Öl wird durch Pressung der Früchte der Ölpalme gewonnen und ist das am meisten konsumierte Speiseöl der Welt. Einst nur in den traditionellen Küchen Afrikas, Südamerikas und Asiens verwendet, ist Palmöl heute das Lieblingsöl der Lebensmittelindustrie: wegen seines günstigen Preises - denn andere Vorteile hat es so gut wie keine.

Dafür aber zumindest drei bedeutende Nachteile: Erstens gilt Palmöl als gesundheitlich bedenklich, weil es nach Erhitzung einen sehr hohen Anteil gesättigter Fettsäuren aufweist und in Verdacht steht, Herz-Kreislauf-Störungen zu fördern. Zweitens verdrängt die intensive Plantagenwirtschaft der Ölpalme zahlreiche Kleinbauern von ihren Feldern, treibt sie in die Armut der Großstädte und missachtet die Rechte der Naturvölker auf ihr gewachsenes Umfeld. Und drittens sorgt dieselbe Plantagen-Monokultur für eine Zunahme des CO2-Ausstoßes, bedroht die biologische Vielfalt in den tropischen Wäldern und verringert den Lebensraum zahlreicher Pflanzen- und Tierarten.

Organ-Utans als Leidtragende

Der prominenteste und sinnbildlichste Leidtragende der Entwicklung in der Tierwelt ist mit Sicherheit der Orang-Utan. Denn die Überlebenschancen des gemütlichen Primaten, der in der populären Bildsymbolik dem Weihnachtsmann als freundlicher Bart-, Bauch- und Sympathieträger (King Louie, Dschungelbuch) kaum nachsteht, schwinden rasant - und zwar ganz wesentlich wegen der Palmölproduktion. Laut der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth fallen jährlich 5000 Riesenaffen den Palmenhainen zu Opfer. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) geht davon aus, dass 98 Prozent der indonesischen Feuchtwälder, des natürlichen Habitats der Affen, bis 2022 abgeholzt werden, um Ölpalmen zu weichen.

Palmöl wird gut getarnt

Die Schlussfolgerung für bewusste Konsumenten könnte demnach sein, keine Palmöl-Schokolade mehr zu kaufen oder gar an das Friedenssymbol Weihnachtsbaum zu hängen. Doch so einfach ist es nicht: Laut Greenpeace gibt es für die Hersteller keine Verpflichtung, auf die Verwendung des Öls hinzuweisen. Selbst wer sich die Mühe macht, die Inhaltsstoffe von Schokoweihnachtsmännern nachzulesen, kann kaum erkennen, ob Palmöl drin ist: Meist versteckt es sich unter dem diskreten Begriff "Pflanzenöl". Lediglich Premium-Schokolade (die zwar deutlich besser schmeckt, aber halt ungleich mehr kostet) wird gemeinhin mit reiner Kakaobutter fabriziert und darf als vergleichsweise verträglich gelten.

Nun haben sich die Lebensmittelriesen Unilever und Nestlé freiwillig dazu verpflichtet, lediglich nachhaltig produziertes Palmöl in ihren Schokoladen zu verwenden - ein Ziel, das bis 2015 erreicht sein soll. Doch sind genaue Richtlinien für eine nachhaltige Produktion noch nicht einmal festgesteckt. In der Zwischenzeit geht der Raubbau an den Wäldern Indonesiens und Malaysias, den mit Abstand größten Produzenten, munter weiter. Mehr noch: Aufgrund der ständig steigenden Nachfrage breitet er sich rasch auf andere tropische Länder aus.

Schokolade, Leid und Tod

Die Australierin Simone Gie von der NGO Slow Food, die sich gegen das Überhandnehmen industriell gefertigter Nahrungsmittel einsetzt, bringt freilich noch einen anderen, kulturellen Aspekt in die Debatte ein: Sie zieht einen Vergleich zwischen Weihnachten und dem islamischen Opferfest Eid I-Ahda, das vor wenigen Wochen begangen wurde und Muslimen stets den Vorwurf der Barbarei einhandelt - weil ein wesentlicher Teil des Ritus in der Schlachtung eines Schafs besteht. "Einerseits rufen Nicht-Muslime stets nach Verbot und Strafe, weil die Schlachtung mittels Durchschneiden der Kehle als Tierquälerei angeprangert wird", erklärt Gie. "Dabei ließe sich in diesem seit jeher praktizierten Brauch schon auch etwas ganz anderes, Wertvolles erkennen. Nämlich die Ehrlichkeit in der Konfrontation mit Leben und Tod, die einer überindustrialisierten Gesellschaft wie der unseren fast komplett abhandengekommen ist."

Dass für den Genuss von Fleisch ein Lebewesen sterben muss, wird in unseren Breiten tatsächlich weitestgehend ausgeblendet. Gie erkennt darin eine Analogie zu der sorglosen Selbstverständlichkeit, mit der wir uns an Industrieprodukten aller Art laben, ohne uns der Umstände, die deren Produktion bedingen, zu gewärtigen: "Das Beispiel Schoko-Weihnachtsmann ist dafür ideal", sagt Gie, "kaum etwas könnte harmloser wirken, kaum etwas unschuldiger für freudiges Leuchten in Millionen Kinderaugen sorgen - und doch in Wahrheit für so viel Zerstörung, Leid und Tod verantwortlich sein." (Georg Desrues/Der Standard/rondo/10/12/2010)

schöne grüsse:

bbw
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