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Alt 19.05.2005, 09:53   #7
Karl
Gast
 
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AW: Tofu - das unbekannte Wesen

Hallo Günther,

du frägst mich, warum ich mich bei Fleisch echauffiere, aber gleichzeitig ein Plaidoyer für Tofu halte ? Das war ein Fehler ! Nein, Spaß beiseite, aber das ist ein Thema, da könnte ich jetzt einen abendfüllenden Vortrag zum besten geben. Ich werde versuchen das Thema mal halbwegs kompakt und anschaulich zu beleuchten. Fleisch ist ein ethisches Problem und zwar ein erhebliches.
Um das zu veranschaulichen muß ich jetzt ein wenig ausholen, also hol dir ein Bier und eine Tüte Popcorn, dann machen wir weiter .

Ich beginne mit dem Schlußsatz meiner Antwort an King Kreole, da ging's um Sojaöl.
Sojaöl ist im Preis sehr günstig. Warum ist das so ?
Das liegt daran, daß Sojaöl ein Nebenprodukt der weltweiten Sojaproduktion ist, es fällt quasi von alleine an. Diese Soja wird aber nicht angebaut, damit die Damen und Herren Gastronomen zu günstigem Salatöl gelangen, sondern dient einzig einem Zweck: Die riesigen Tiermengen Nordamerikas und Europas mit preiswertem, hocheiweißigem Futter zu versorgen.
Die Urwälder Brasiliens und andrer südamerikanischer Staaten werden in allererster Linie zu diesem Zweck abgeholzt, da mit Soja auf dem Weltmarkt gute Geschäfte zu machen sind.
Aber die Umweltproblematik ist dabei längst nicht alles.
Soja tötet Menschen ! Wieso das denn ?
Nun, die fruchtbarsten Flächen in diesen Ländern werden für Sojaanbau verwendet, so daß für die Ernährung der dort ansässigen Bevölkerung nichts mehr bleibt. Das Land gehört wenigen Großgrundbesitzern und wird von rechtlosen Bauern bewirtschaftet, die nichts zu sagen haben.
Die Menschen verhungern trotz fruchtbarster Böden. Das hat mit der Sojathematik und Verteilungsgerechtigkeit zu tun; uns interessiert hier nur das Sojathema.

Um einmal eine Vorstellung von Hunger der mittlerweile riesigen Viehherden zu geben :
Ohne Soja, das bei uns aufgrund der klimatischen Gegebenheiten nicht wächst, müßten wir die gesamten Anbauflächen der Länder Belgien, Luxemburg, Niederlande, Dänemark und Irland zur Futtermittelerzeugung in Beschlag nehmen, um alleine den deutschen Fleischbedarf decken zu können.
Wir haben, wenn man so will, eine Art verlängerte Werkbank in die Länder der dritten Welt im Bereich der Futtermittelerzeugung.
Durch die BSE Krise und das damit einhergehende Verbot der Tiermehle wurde die Problematik zusätzlich verschärft, da diese Proteinquelle - die Tiermehle - ja anderweitig ersetzt werden müssen - Richtig, durch Soja.

Jetzt komme ich mal auf deine Ursprungsfrage zurück, Günther, warum ich beim Tofu keine Skrupel habe. Dazu stelle ich einfach einmal ein paar Fakten in den Raum, die Interpretation muß ich jedem Leser selbst überlassen.
Zur Produktion einer Kalorie Fleisch/Fisch muß ich 10 Kalorien pflanzlicher Futtermittel aufwenden. Eine atemberaubende Vergeudung, da es weit effizienter wäre, die Pflanzen ohne diesen Veredelungsumweg direkt zu konsumieren.
Jetzt geben wir mal ein bischen Fleisch an dieses trockene Kalorienmodell (Die Zahlen sprechen hier für Österreich, weil es eine österreischische Webseite ist, aber diese sind 1:1 auf Deutschland übertragbar !) :

Fleisch frisst Menschen

Pro Kopf der Weltbevölkerung stehen 325 kg Getreide zur Verfügung. Von den 560 kg/Kopf in Österreich werden 355 kg an Vieh verfüttert. Würden alle derart verschwenderisch handeln, könnten mit der weltweiten Getreidemenge nicht mehr als 3,5 der insgesamt 6 Milliarden Menschen ernährt werden. Eine weltweite Reduktion der Getreidemenge für Viehfutter um 10% würde die Ernährung von 225 Millionen Menschen sichern.


Das Problem des Welthungers ist keines mangelnder Lebensmittel, sondern der Ungerechtigkeit, sowohl innerhalb der armen Länder als auch zwischen armen und reichen Staaten. Aufgrund der immensen Fleischnachfrage verbrauchen die Industriestaaten mit einem Viertel der Weltbevölkerung drei Viertel der gesamten agrarischen Produktion!

Und weiter :

Der energetische Vergleich zwischen einem Fleischlaibchen und einem Getreidelaibchen (je 250 g) verdeutlicht dieses Faktum: Die Emissionen des Fleischlaibchens liegen bei 796 g C02‑Äquivalent ‑ jene des Getreidelaibchens hingegen bei nur 63g. Isst man also ein Fleischlaibchen, verursacht man eine fast 13‑mal stärkere Klimabelastung als beim Verzehr eines Getreidelaibchens. Dabei ist bemerkenswert, dass die Emissionen beim Getreidelaibchen zu über 80% beim Verbraucher erzeugt werden, während sie beim Fleischlaibchen zu über 90% von der Tierproduktion bedingt sind. Vergleicht man Fleisch mit Gemüse, gilt als Faustregel: 1 kg Fleisch ist zehnmal umweltbelastender als 1 kg Gemüse.

Der Verzicht auf den jährlichen Import von 50 Millionen Tonnen Futtermittel in der EU allein würde ausreichen, um 600 Millionen Hungernden eine ausreichende Zusatzernährung zukommen zu lassen. Die Kräfte des freien Marktes lassen dies aber nicht zu, weil die "Kaufkraft" der Futtertröge von Huhn, Schwein und Rind bei uns größer ist als die der Hungernden.
http://www.vegan.at/stichworte/umwelt2.html

Ich denke diese Zahlen und Tatsachen erläutern nachhaltig, warum ich mich für Tofu mehr erwärmen kann als für Fleisch.
Man muß bei Gott kein Tierfreund sein, aber wie ich an andrer Stelle schon mal geschrieben habe, würde ich mir etwas mehr Verantwortungsbewußtsein wünschen.
Ich will wirklich niemandem seinen Genuß verleiden, aber ein bischen Hirn bei der Sache könnte nicht schaden.
Wenn man aufhörte ohne Maß und Ziel Fleisch in sich hineinzuschaufeln, dann wäre schon einiges gewonnen. Mein im Eingangsposting erwähnte Feldsalat mit kross gebratenen Räuchertofu-Würfeln wäre ein bescheidener Anfang, bei dem der Genuß mit Sicherheit nicht zu kurz kommt.

Gruß
Karl
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