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Alt 17.02.2013, 11:31   #1
knorhan
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Registrierungsdatum: 02.11.2007
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Krise, Krise, Krise.

@Wolfram Siebeck.

Von der Eurokrise bis Griechenland, von der Deutschen Bank bis Siemens, von Mercedes bis Opel, von der FDP bis zum Strompreiswucher. Überall wird geheuchelt, gelogen, beschwichtigt, vertuscht, bestochen und getrickst. Und wenn wir es tun! Radio, und Zeitung, was lesen wir? Krise, Krise, Krise.

War da nicht noch etwas anderes, ein bisschen Hoffnung, ein kleiner Fortschritt? Zumindest in unsere Küche? Aber leider kämpfen acht von 10 Drei-Sterne-Restaurants mit der Pleite, weil die Gäste keinen Alkohol zu trinken wagen und zum Rauchen vor die Tür geschickt werden. Hunden ist dagegen erlaubt, unter dem Tisch zu liegen und sich die Geschlechtsteile zu lecken. Sollte das unsere Identität sein, ein krisengeschütteltes, tierliebendes Volk??? Als hätten wir keine anderen Probleme…

Früher kochten die Großmütter. Heute lassen sie kochen. Auf Kreuzfahrtschiffen, in türkische, Wellnesshotels oder auf Senioren-Expeditionen im Himalaja.
Überhaupt ist der Heimatbegriff, wie zu erwarten, eng mit der deutschen Küche verbunden. So eng wie früher mit der französischen und italienischen Küche. Doch die haben als Seelentröster ausgedient. Seit jede unbegabte Hausfrau mit dem Tomatenketschup umgehen kann, wir John Wayne mit der Windchester, sprechen Nudelgerichte nur noch deutsch.
Arm in Arm sind sie mit der zähen Rucola zur deutschen Spätzleküche übergelaufen. Auf der französischen Seite sind es die Trüffeln, die kulinarischen Asyl beantragen, seit bekannt wurde, dass die chinesischen Sommertrüffeln zum Billigpreis angeboten werden und trotzdem nicht schmecken. Doch auch die Kalbsleber will, zusammen mit ihrer Großfamilie, einreisen. Zu diesen gehören Kutteln, Kalbskopf, Bries, Lammnieren, Schweinsfüße und Froschschenkel. Und auf den Marktplätzen unserer Städte demonstrieren Patrioten (Idioten) gegen Asylanten. „kein Olivenöl an die Rindroulade“, fordern sie und: „haltet die deutsche Bratwurst rein. Lammhack raus! „Dagegen klagte die Bayerische Lammhacker Brauerei beim Bundesheimatgericht vergebens. Das Recht auf Heimat stünde jedem deutschen Würstchen zu, begründete das Gericht sein Urteil.

Immerhin wurden Feinschmecker dadurch auf die Spur gebracht, wo Heimat zu finden ist. Auf der Suche nach unserem Gold: der deutschen Küche.
Zunächst mussten sie die Trümmer der Novelle Cuisine aus dem Wege räumen. Dabei stießen sie auf Überreste der viel älteren Erbsmehl-und-Maggi-Periode, die in den Sagen des Altertums eine Rolle spielt. Ihr folgte die kurze, aber nachhaltige Römertopf-Epoche, zu der Nibelungenlied gesungen Wurde. Damit war schlagartig Schluss, als die Avantgarde die Kelle übernahm. Ihr viel zuerst die deutsche Kartoffel zum Opfer. Unter der Diktatur der Kreativen wurde alles vernichtet, was nicht getröpfelt, gebröselt, gepresst. Geschäumt, gerieben, gemahlen war und ohne Adorno auf den Tellern kam. (Kochkunst durch ganz neue Speisen, Philosoph, Soziologe, Musiktheoretiker und Komponist.)
Der Höhepunkt der Heimatküche war jedoch die Entdeckung der berühmten mumifizierenden Ganz, deren bunte Grabbeilagen darauf schließen lassen, dass dieser prächtige Vogel seit Jahrhunderten Mittelpunkt der deutschen Küche war. Als Weltkulturerbe hat er einen Ehrenplatz im Deutschen Heimatmuseum in Berlin.

Und so lieben unsere Gäste regionale, bodenständige Gerichte.

Kulinarischen Gruß
knorhan
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