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Alt 03.04.2009, 21:34   #1
Taillevent
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Frage Österreich - Salzburg - Ikarus - Trettl

Liebe Feinschmecker,

selten war meine Meinung über einen Restaurantbesuch so zwiespältig wie kürzlich im Ikarus. Das Konzept des zum Red-Bull-Imperium gehörigen Speisetempels im Hangar 7 am Flughafen Salzburg, nämlich jeden Monat gibt es einen neuen Gastkoch, setze ich als bekannt voraus.
Diesmal war es ein Thailänder mit dem schönen Namen Pongtawat Chalermkittichai. Das kann sich natürlich kein Mensch merken, deshalb nennen ihn alle Ian. Ian lässt, so der Werbetext, "internationalen Geschmack mit thailändischer Avantgarde verschmelzen". Er führt drei Restaurants, in Barcelona das Murmuri, in New York das Kittichai, in Bangkok das Boqueria. In Zukunft möchte er noch mehr "Modern Thai Restaurants" eröffnen. Da ihm das offenbar zu langsam geht, kocht er jetzt im Ikarus einen Monat lang mit Unterstützung der Herren Witzigmann und Trettl zwei verschiedene 8gängige und ein vegetarisches Menu.
Das Angebot wird noch um ein Menu von Trettl ergänzt, das war die Speisekarte. Man kann allerdings die Gänge auch einzeln bestellen. Ich verzichte jetzt auf eine genauere Beschreibung der Menus, die man auf www.hangar-7.com/special-pages/kulinarik/gastkoeche-2009/ian-chalermkittichai nachlesen kann. Es ist eine Küche mit teuren Zutaten (Wagyu Beef usw), asiatisch gewürzt, aber nicht wirklich scharf, Zugeständnisse an europäische Gewohnheiten. Die Küche ist ganz ordentlich, weit weg von groß, keine großen Mängel, aber auch keine Aha-Erlebnisse. Nur so zum Beispiel: Wieso schmecken die Suppenfleischwürfel in der Rindersuppe mehr nach Rindfleisch wie das teure Wagyu-Beef? Aus meiner Sicht die Schickimicki-Küche eines Koches, dem Marketing mindestens so gut liegt wie seine eigentliche Profession.
Wein zu Thai-Küche ist ein schwieriges Kapitel, das Ikarus-Team hat sich eine menubegleitende Auswahl aus Deutschland, Thailand, Österreich und der Schweiz (wohl der Rest des vorherigen Gastkoches aus der Schweiz) einfallen lassen. Ansonsten gibt es keine Weinkarte. Die Thai-Weine haben meine Neugier gereizt, obwohl mir der Sommelier keine übertriebene Hoffnung gemacht hat. Gut, ich habe sie probiert, mein Resumee, die Weine haben in keinem Restaurant mit Anspruch etwas verloren, ganz egal ob ein Thailänder kocht oder nicht. Aber wenigstens wird das Getränk, dem wir die Existenz dieses Restaurants zu verdanken haben, nicht angeboten.
Nun aber genug kritisiert, es gibt natürlich auch viel Positives. Zuerst der Hangar 7 selbst, die Architektur, Flugzeuge, Rennautos, Kunstwerke, darin das Restaurant, das alles ergibt ein stimmiges Ambiente, perfekt. Der Service sehr aufmerksam, zahlreich, freundlich und sachkundig. In seinem Selbstbewusstsein erinnert er mich etwas an die Schwarzwaldstube, noch ist es nicht dieselbe Stufe, aber für Österreich Top.
Abschließend noch ein Wort zum Konzept: Was macht es für einen Sinn, Köche zu zeigen, die im besten Fall einen wackligen Michelin-Stern verdienen, wenn für deren Umsetzung Leute wie Trettl beschäftígt werden? Ich bin überzeugt, Trettl hätte deutlich mehr Potential wie Chalermkittichai. Klar ist es ein enormer Aufwand, nicht nur finanziell, dieses Konzept umzusetzen, aber so sehe ich nur wenig Sinn.
Ich würde einen Besuch, wenn Ihr in Salzburg seid, auf jeden Fall empfehlen, Ambiente ist wirklich schön, der Service ist ausgezeichnet. Die Küche ist zumindest spannend, sicher durch das Konzept stark schwankend, Chalermkittichai ist für mich 14+ Punkte, Ikarus 15,5 für die Gesamtleistung.

Mit kulinarischen Grüßen
Taillevent
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