Einzelnen Beitrag anzeigen
Alt 10.07.2008, 14:58   #1
black-brown-white
Erfahrener Benutzer
 
Registrierungsdatum: 22.06.2005
Ort: Kärnten
Beiträge: 1.199
Offelleria della Meneghina in Vicenza

Hallo zusammen, ich hab mir gedacht ich schreib mal was von einem bislang völlig unbekannten und trotzdem sehr guten Lokal, welches ich kürzlich in Vicenza durch Zufall fand.
Zuerst aber eine sehr traurige Nachricht:
Die Offelleria della Meneghina einer der ältesten Konditoreien Norditaliens gibts seit ein paar Wochen nicht mehr! Wer einmal in Vicenza war und diese wunderbar kleine Konditorei, eigentlich Offelleria (offenbar ein älterer Ausdruck für Konditorei von Kleinstküchelchen, wie sie im 17. Jh. üblich waren) besuchte, wird jetzt auch traurig sein. Für mich gehörten deren kleine Reisküchlein und Vieles mehr zum Fixprogramm eines Vicenzabesuchs.
Nun aber die gute Nachricht:
Das Lokal wurde vom Neffen und einem sehr begabten Koch übernommen, ja die Offelleria della Meneghina wird zumindest Optisch weiterbestehen. Der vordere Raum ist denkmalgeschützt und entsprechend nicht zu verändern. Zum Glück!
Jedenfalls erwischte ich gerade den Neubeginn dieses Lokals und entsprechend vorsichtig gebe ich eine Empfehlung aus. Am Anfang bemühen sich fast alle Köche über Gebühr, um dann bei entsprechendem Klientel nach zu lassen. Zumindest viele! Ich hoffe dass dies hier nicht der Fall sein wird. Vielleicht schreibt ja mal jemand seine Erfahrungen. Ich komm eventuell eh bald wieder dorthin und kann auch noch mal berichten.
Nun jedenfalls gibt es nur 2 Menüs, eines mit Fisch und Eines ohne, egal ob Mittags, oder Abends. Beide haben wir ausprobiert und beide waren sehr sehr gut.
Ich empfehle allerdings den Mittag und bei angenehmen Temperaturen Draussen, weil aufgrund des denkmalgeschützten Verkaufsraumes innen nur der noch absolut nicht einladende hintere Raum zur Verfügung stünde. Jener ist wirklich nicht einladend! Aber Draußen sitzen und schräg auf Palladios Basilika zu schauen ist ohnehin ein Gedicht für sich und aufgrund der etwas engeren Gasse auch bei sehr hohen Temperaturen eine Empfehlung!
Glücklicher Weise ist gerade der Teil, den man vom Lokal aus sehen kann nicht mit Planen eingedeckt und bereits für den 500-tsten Geburtstag gerüstet, welcher dieses Jahr im Herbst gefeiert wird. Jedenfalls aßen wir eine sehr gelungene eurasische Menüzusammenstellung, welche ja in Venedig und seinem Hinterland eine weitaus größere Tradition hat als der aktuelle Trend international. In der Gegend habe ich schon vor gut 20 Jahren derlei probieren dürfen. Herauszuheben ist die Entenbrust mit einer karamellisierten Entenleber, wobei die Brust in einer Orangen-Ingwer-Safran Marinade lag. Ausgezeichnet und perfekt verarbeitet.
Dann meine Riesengarnelen mit madagssischer Vanilleschote gewürzt und gebraten zusammen mit den Wildapfelscheiben leicht karamellisiert und der wunderbar leichten Vanillesauce eine Offenbarung!
Ebenso gelungen war mein Schwertfisch mit in Tandouriteig herausgebratenen Melanzanistückchen und Ratatouille. Einfach aber natürlich auch aufgrund der so genialen Gemüsequalitäten eine Geschmacksanregung der besseren Art.
Der Lammrücken war ebenfalls hervorragend mit etwas Thaicurry, leichter Minze und als Kontrast Rosmarin abgeschmeckt und ebenfalls sehr gut, wenn auch ein gar klein wenig zuviel. Als Nachspeise gabs dann aber aus dem klassischen Sortiment der Offelleria Kleinküchlein. Ich hebe bewusst nur Teile des Menüs heraus, welche mir besonders gut gefielen. Spaghetti mit langsam geschmorten hervorragenden Tomaten und sonst nichts muss ich ja nicht erwähnen, oder? Das Menü bestand aus 6 Gängen aus welchen man frei wählen kann und Mittags hatte ich und meine Begleiterin noch keinen solchen Hunger, also nahmen wir beide 4 Gänge je Menü, aber auch nur, weil es wirklich sehr gut schmeckte und wir uns freuten, den zahlreichen Touristennepps entkommen zu sein. Abends allerdings war dann das ganze Menü von uns bestellt und auch hier hebe ich nur die Highlights hervor. Eine Pasta Fagoli zum Reinsetzen als Primo. Selten derart gut eines meiner Lieblingsspeisen gegessen. Die Prinzessbohnen waren gerade richtig, der Speck dezent und die Tomaten ebenfalls sehr langsam geschmort, die Nudeln originell und kaum zu bezeichnen frisch selber gemacht mmmhhhhhh! Dieser Gang hätte mir vollends genügt, wenn ich nicht noch so neugierig auf alles Nachfolgende gewesen wäre hätte ich nur das gegessen. Aber die Weiterreise machte Sinn und Spaß! Als Fisch bekam ich diesmal Steinbutt in Schokoladensauce und so was wird von mir, einen Schokoladenhändler natürlich sehr kritisch, wie interessiert aufgenommen. Nun bei der Schokolade kann er noch ein wenig nachbessern, war eine Valrhona Jivara, für mich eher Mittelklasse von der Schokolade her, aber die Gesamtkomposition trotzdem fast perfekt. Selbstverständlich ist mir klar, dass gewisse preisliche Grenzen keine wirlichen Schokoladenstars zulassen. Der Koch entschuldigte sich, dass es nur ein Steinbutt war, statt des üblicherweise ausgewählten Schwertfisches, aber den hatte ich ja bereits zu Mittag und daher disponierte er kurzfristig um. Die in der Sauce beigefügten jungen Kapern, ja Kapern waren wohl auch nur aufgrund der dortigen Möglichkeiten passend, dafür aber umso dezenter und wohlschmeckender abgeschmeckt. Etwas japanischer Curry war auch mit von der Partie und ich glaub nicht, dass ich eine derart gelungene Sauce je hinbekäme, einfach unwiderstehlich! Weiter gings mit dem perfekt gegarten Rinderfilet, welchen eine Art Spiegel aus grünem Tee, Fenchelstückchen und einem sehr fruchtigen Weißwein umgab. War ebenso eine interessante wie wohltuend frische Kombination, an der ich mich bald selber als Koch versuchen werde. Er band den Spiegel übrigens durch eine passierte Mango und etwas Gelee.
Bei der Aufzählung vergaß ich völlig das Mangostanesüppchen kalt serviert. Ich weiß nicht ob alle Mangostane kennen, daher eine ganz knappe Erklärung. Man nennt sie auch die Königin der Früchte und sie kommt in Thailand, Indien, Mianmar, ... vor und mir ist sie durch eine absolute Weltklassentorte meiner Mutter bekannt. Jedenfalls schmeckt sie süß, sehr kremig, fein mit Anklängen von Kakaofrucht, oder ein wenig Litshi. Jedenfalls passierte er die Früchte und setzte ein paar umwerfende Erdbeeren mit drauf. Etwas rosa Pfeffer und ein wenig Fleur du Sel mehr war nicht nötig. War mein aller erster Gang übrigens.
Bei der Nachspeise hatte er sich dann was einfallen lassen, nachdem er erfuhr, dass ich Schokoladenhändler bin, entschloss er sich eine Porcelana von Amedei zu verkochen. Nun werden manche aufschreien, denn die ist immerhin Weltmeister der Schokoladen und sauteuer! Sie zu erhitzen fast schon ein halsbrecherisches Vorhaben, aber es gelang. Er positionierte ganz einfach ein paar wahrlich wohlschmeckende Pfirsichscheiben rund um die warme Schokolade, ein Schuss echten Balsamessig (25 Jahre gereift!) und fertig war eine Sensation!!!!!!!!! Wer das dezente Geschmacksmuster einer Porcelana kennt, weiß wie schwer diese Gradwanderung ist und wie wichtig es ist, dieser allerfeinsten Criollosorte nicht zuviel an übertünchenden Geschmäckern beizumengen. Um diesen Kakao wurden früher Kriege geführt! Jedenfalls hat er damit bei mir einen festen Platz in Geschmackszentrum meines Hirns erreicht, aus der er nicht mehr zu verdrängen sein wird. Wie geschrieben erwähne ich nur die Highlights. Dafür war der Preis mehr als moderat, nahezu unglaublich wenig. Allein eine Porcelana 50 g von Amedei kostet im Handel 12 – 15 Euro, wenn man sie überhaupt kriegt und da nimmt sich der Menüpreis für 7 Gänge, inklusive einiger kleiner Gaben sowie klärender Sorbets wie ein Witz aus. 57 Euro! Ich fragte nach, aber er meinte die Porcelana geht auf sein Haus, dafür wollte er einiges über Schokolade von mir erfahren und ich gab ihm auch eine etwas günstigere Bezugsquelle bekannt. Er kam übrigens nach jedem Gang und fragte aufmerksam und druchaus selbstkritisch nach dem Erfolg. Er wollte keine reine Belobigung, auch wenn er sich natürlich bei erteilter sehr freute. Er wollte mehr herauskitzeln und da komm ich dann auc aus mir heraus und bemängelte zum Beispiel eben den hinteren Raum, in welchen wir leider aufgrund eines enormen Wolkenbruches sitzen mussten, die zu gewaltigen Portionen und manchmal ein wenig zuviel der Würzung. Vicenza hat schon einen sehr großen Platz in meinem Herzen als Wiege des Palladios, als Standort von 14 von der UNESCO geschützten Villen und Gebäuden allein in Vicenza, als glücklciherweise noch nicht ganz so vereinnahmte mittelgroße Stadt mit einem Flair, aber jetzt gibt es statt des bisherigen Besuchs in der Offelleria mit nur Süßem, einen weiteren Grund nach Vicenza zu kommen. Übrigens wird er auch mit dem Pfund der Offelleria bald gewichtiger pfunden und das Sortiment an Süßem wieder ausbauen! Zum Glück nd er verriet mir, dass er als Basis und zum Teil durchgezogen jene Rezeptsammlung der Offelleria verwenden wird! Guter Mann, ich hoffe er kann in der immerhin reichsten Stadt Italiens seinen Anspruch durchsetzen und die noch sehr skeptischen Vicentiner überzeugen.
Hier nun die Adresse:
Antica Offelleria Della Meneghina: Contrà Cavour, 18 36100 Vicenza und www.anticameneghina.it

So und nun hab ich Hunger und träume mich gen Vicenza!

bbw
black-brown-white ist offline   Mit Zitat antworten