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Alt 14.05.2005, 14:56   #22
Karl
Gast
 
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AW: Die Todsünden der Gastronomie

Hallo zusammen,

bevor ich meine Sündenexkursion fortsetze möchte ich zunächst einmal die Gelegenheit wahrnehmen und allen hier versammelten Gastronomen ein gutes Pfingstgeschäft wünschen
Wenn das Wetter mitspielt sollte das ja eigentlich nicht unmöglich sein.

Zu den nachfolgenden Berichten noch eine kleine Vorbemerkung. Ich habe, was ich hier schildere, so tatsächlich selbst und live erlebt. Es sind also keine Geschichten, die ich eines hohen Unterhaltungswert willens, oder aus dritter Hand erfahren habend, hier einstelle.
Todsünden sind es nicht, aber Zeichen guter Gastronomie auch nicht unbedingt.
Es ist ein weites Feld, das Service-Personal
Guter Service will gelernt sein. Nicht umsonst gibt es Hotelfachschulen. Bei manchen Lokalitäten trifft man allerdings auf Vertreter dieser Zunft, die vermutlich vom Inhaber auf der Straße angesprochen wurden, Motto : "Hätten Sie nicht Lust, bei mir zu bedienen ? Aber ich hab das doch noch nie gemacht ! Macht nix, das wird schon klappen."
Handelt es sich bei einer solchen Kraft um einen Mitarbeiter dessen Tätigkeit auf das Auffüllen des Frühstückbuffets beschränkt ist, dann ist das in der Tat weiters kein Problem.
Kommt dieser Mitarbeiter allerdings mit dem eher schwierigen Wesen "Gast" in Kontakt, dann sieht die Sache ein wenig anders aus. Aber auch in Häusern wo man nicht mit Überraschungen rechnet, kann man wundersames erleben.
In einem Haus, das immerhin von einem bekannten Führer als "Tagungshotel des Jahres" ausgezeichnet wurde und das über eine wirklich ausgezeichnete Küche verfügt, begab sich folgendes:
Ich hatte einen Tisch bestellt, betrat mit meiner Frau die Örtlichkeiten. Der Ober geleitet uns freundlich an den Tisch, ein zweiter nimmt sich der Garderobe an. Der erste rückt mir freundlich den Stuhl zurecht auf dem ich Platz nehme , während meine Frau stehend den Tisch betrachtet.
Weiß Gott keine Tragödie, allerdings auch nicht gerade eine Visitenkarte klassischer Anstandsregeln.
Eine weitere Fallgrube für das (ungeschulte) Personal stellt die Reklamation dar. Da habe ich auch schon Nummern erlebt, die atemberaubend waren - die meisten der krassen Fälle führten zu einem mindestens 1 jährigen Boykott dieses Hause meinerseits.
Ich greife mal den Fall eines etwas besseren Italieners auf. Ich, damals noch nicht vegetarisch, bestellte Muscheln al vino bianco, meine Frau ebenfalls, nur in der tomatisierten Version.
Die Bedienung kommt an mit den Muscheln. Die Muscheln waren mit einigem Wohlwollen als handwarm zu bezeichnen, eher kalt. Dennoch habe ich eine probiert, was ich besser bleiben hätte lassen- ein labbrige, völlig verkochte Scheußlichkeit.
Die Bedienung, daraufhin angesprochen, holte zu einem längeren, wortgewaltigen Exkurs aus, in deren Verlauf mir sinngemäß erklärt wurde, daß heute schon mindestens 30 Portionen davon verkauft wurden und kein Mensch hätte sich beschwert.
Was soll ich dazu sagen ? Wenn 30 andere diesen Dreck kommentarlos fressen, dann heißt das ja noch lange nicht, das die Beanstandung nicht rechtens sei. Außerdem ist es eine elementare Binsenweisheit und zwar in jedem Servicebetrieb, daß ich eigentlich mit einem Kunden keine Diskussionen führen sollte.
Ein andrer Italiener hat sich da schon ein wenig eleganter aus der Affaire gezogen.
Selbes Gericht: Muscheln. Schon bei flüchtiger Durchsicht dieser Näscherei stellte sich heraus, das unser südländischer Freund frische Ware mit gefrorener gemischt hatte. So war ein Teil der Muscheln optisch so, wie man das erwartet, der andere lag eher in Form amorpher, zäher Fetzen in der Schüssel. Darauf angesprochen hat es das nicht nur anstandslos und ohne Diskussion zurückgenommen, sondern stattdessen frische Scampi zum selben Preis angeboten. Eine Lösung die ich akzeptieren konnte. Als Kunde hat er mich allerdings dennoch für eine Weile verloren, weil alleine der Versuch schon dreist ist.
Abschließen will ich meine Betrachtung mit zwei Fällen, der eine eher harmlos, der andere wieder etwas derber.
Ich empfinde es als einigermaßen unpassend, wenn Servicepersonal rauchend keine 10 Schritt von mir entfernt an einem Tisch sitzt. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht altmodisch, aber ich empfinde das als ausgesprochen unflätig. Auch ein Ober der sich zum kassieren kurzerhand an meinen Tisch setzt empfinde ich vorsichtig ausgedrückt - irritierend.

So und jetzt noch den Schlußakkord ! Ich gebe zu , in meiner bisherigen Laufbahn als Gast ein einmaliger Fall: Ein betrunkener Ober !
Das trug sich zu in einem Haus, ich würde mal sagen mittlerer Kategorie, also Hauptgericht so um die 20 bis 25 Euro. Der kam mit einer solchen Fahne an den Tisch um die Bestellung aufzunehmen, das wir eigentlich schon geneigt waren von einer Bestellung Abstand zu nehmen.
Mit Mühe schaffte er es dann die Gerichte zu servieren. Beim Abräumen war er dann mit seinen Kräften offensichtlich am Ende und das Besteck verteilte sich scheppernd am Boden.
Ich will das dem armen Kerl nicht verübeln, im Grunde ein Fall aus der Rubrik menschliches und allzu menschliches. Das Problem war, daß ich nicht alleine dort war, sondern mit Bekannten. Diesen hatte ich zuvor das Lokal mit den wärmsten Worten empfohlen. Als dann diese Bedienung anschwankte wäre ich am liebsten im Erdboden versunken.

Mit diesem Highlight beende ich die Rubrik Personal für' s Erste.

Gruß
Karl
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