Der Pariser Spitzenkoch Alain Senderens gibt seine "Michelin"-Auszeichnung zurück und will künftig wieder kochen, wie es ihm gefällt.
Paris - Andere Köche träumen davon und arbeiten nur für die Sterne im Gastronomieführer "Michelin". Doch der Pariser Spitzenkoch Alain Senderens, Chef des berühmten Drei-Sterne-Restaurants "
Lucas Carton", hat genug von der Jagd nach den Sternen und verzichtet auf sie. Seit 28 Jahren wird der 65jährige vom Michelin mit drei Sternen ausgezeichnet. Jetzt zieht er sich zurück. "Ich will ein anderes Restaurant eröffnen mit nettem zwanglosem Essen, ohne viel Getue", sagt Senderens.
Anfang Juli schließt er das "
Lucas Carton", es soll im neuen Dekor und vielleicht auch unter neuem Namen im September wiedereröffnen. "Ich bin 65 Jahre alt, ich will mich beim Kochen wieder amüsieren und etwas Neues kreieren", erklärt Senderens, der als einer der Vertreter der Nouvelle Cuisine bekannt wurde. Der Franzose gilt als Meister der Zusammenstellung von Speisen und Wein. Berühmt sind sein Vanille-Hummer und seine Honig-Ente.
Bisher mußte man bei "
Lucas Carton" um 300 Euro für das Essen zahlen, künftig soll es ein Drittel sein. Die Küche wird weniger kompliziert, und die Gäste sollen nicht mehr von einem Schwarm von Kellnern belagert werden. Senderens findet das einfach altmodisch: "Die Gesellschaft hat sich geändert, und die Küche muß folgen."
Für die Köche bedeutet die Jagd nach den Sternen Streß. Die Luxusküche ist zum Hochleistungssport geworden. Viele Köche können die Kosten für edelste Zutaten, aufwendige Tischdekorationen und vor allem viel Personal nicht mehr tragen. Unvergessen ist in der Gastronomie-Welt der Selbstmord von Spitzenkoch Bernard Loiseau aus der Bourgogne im Jahr 2003, der unter dem Streß zu sehr gelitten hatte. Senderens hat allerdings keine Angst, seine Sterne zu verlieren, und keine finanziellen Probleme. "Ich wollte einfach meine Freiheit wieder", betont er. Die Freiheit zu kochen, wie es ihm gefällt. Weniger konform zu sein und Produkte zu verwenden, die für Drei-Sterne-Köche nicht edel genug sind: "Sardinen zum Beispiel würde der ,Michelin" nicht akzeptieren. Das wäre ein Skandal."
Dabei richtet sich seine Revolution nicht gegen den etablierten Gastronomieführer. Die französische Küche habe ihm schließlich ihren ausgezeichneten Ruf zu verdanken. Der "Michelin" reagiert scheinbar gelassen: "Wir gehen weiter in sein Restaurant, und dann entscheiden wir. Schließlich vergeben wir die Sterne."
Bereits im April hatte ein anderer französischer Spitzenkoch, Philippe Gaertner vom Restaurant "
Aux armes de France" im elsässischen Ammerschwihr, seinen Stern zurückgegeben. Seitdem kocht er einfache, regionale Küche. Schon vor einigen Jahren verabschiedete sich Joël Robuchon von den Sternen und eröffnete Bar-Restaurants mit günstigen Preisen und kreativen Speisen. Und Alain Ducasse hat neben seinen Luxusrestaurants einfachere Lokale, in denen er experimentiert.
Auch deutsche Starköche wehrten sich gegen die vom "Michelin" auferlegten Zwänge und gaben ihre Sterne zurück. Sternekoch Matthias Dahlinger etwa vom "
Restaurant Eichhalde" in Freiburg kehrte ebenso zu bodenständigen Gerichten zurück wie der zeitweilig sogar mit zwei Sternen ausgezeichnete Franz Keller aus der "
Adlerwirtschaft" in Hattenheim.
via
DIE WELT.de